Henning Tilp

stimmt doch gar nicht / CLUB
Galerie Hafen und Rand Hamburg / HGB
2006 / 2007

Posted on | June 1, 2006 | Comments Off on stimmt doch gar nicht / CLUB
Galerie Hafen und Rand Hamburg / HGB
2006 / 2007

Einladungskarte

Einladungskarte
Ach, tanzt doch einfach

A.C. Kunze zu Henning Tilp: »stimmt doch gar nicht«
Henning Tilp zeigt in seiner Ausstellung in der Galerie Hafen+Rand eine Raumarbeit bestehend aus zwei Videoprojektionen und Modifikationen von situativ beeinflussenden Elementen des Galerieraumes.

Seine Arbeiten im geschlossenen wie auch jene im öffentlichen Raum, greifen über das formal äußerlich und direkt Erfahrbare in Diskurssphären, die im ersten Moment von seiner persönlichen Selbstreflektion ausgehend, letztlich ubiquitäre Fragestellungen zulassen.

Das Bewusstsein und der Wille, dass ein der Rezeption ausgeliefertes Werk, an Dynamik gewinnt, schärft Tilps Anspruch, auch in der Präsentationsebene offene Haltepunkte zu schaffen. Die Inszenierungsqualität unter Einbeziehung der geografischen, sowie zeitlichen Verortung der Ausstellungsprojekte ist ein wesentlicher Parameter seines Werkspektrums.

So zeigt er beispielsweise die aktuelle Arbeit «Club« in einem ausgesprochen nüchternen Aufbau kontrastiert zum kulissenhaften Erlebnisstadtteil rund um die Reeperbahn. Die zweiteilige Projektion in zwei einander einsehbaren Räumen zeigt einerseits eine Szene eines typischen Clubs – tanzende Menschen lassen sich durch die Musik und Atmosphäre begeistern – der DJ dirigiert die Tanzgesellschaft. Das zweite Bild zeigt den Künstler selbst. Er steht mit dem Rücken zur Kamera an den Plattenspielern. Sein Sound erreicht keine Menschenmassen – er mixt gegen die Wand. Interessant hierbei: Während zu den Kamerabildern aus dem Nachtclub ein Mix in Studioqualität läuft, wird der einsame Disk Jockey vom blechernen Klang, der offensichtlich mit dem Kameramikrofon festgehaltenen Soundkulisse seines Solomixings, getragen. Stilistisch schafft Tilp hier eine akustische Klammer, die den Betrachter näher ans private Sujet heranzuziehen vermag. Zugleich integriert uns der Künstler durch Wechsel der beiden Räume, deren Ton sich zeitlich deckt, in die Auseinandersetzung.

Der Widerspruch der zwei Bilder, aus jeweils 60 Minuten langen Filmen endlos geschleift, eröffnet des Künstlers inneren Diskurs seiner Suche nach Identität und der Sinnführung seines Tuns. Der 1975 geborene Künstler, der zur Zeit sein Zweitdiplom an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst bei Prof. Joachim Blank angeht, verbringt viel Zeit im Berliner Nachtleben. Es ist ein Spiel zweier gar nicht so Ungleichen – Tanztempel vs. Elfenbeinturm – und doch liegen Welten dazwischen. Der Club-DJ Henning Hilton empfängt Anerkennung und positives Feedback durch die Bewegung der Tanzenden – ein direktes Feedback ihres Rückenmarks, während der Künstler Henning Tilp anderer Beurteilungsmethodik ausgesetzt ist – zumeist über die Umwege von Ratio, akademischer Konvention und Nivellierung. Dieser Unterschied ist für Tilp nicht automatisiert nachzuvollziehen und in der täglichen Praxis spitzt sich damit die Frage nach dem Spielfeld seines zukünftigen Engagements zu.

In der Ausstellungssituation setzt sich das Rollenspiel fort. Bevor die Ausstellung »stimmt doch gar nicht« eröffnet, lässt Tilp seinen Hamburger Off-Galeristen »tanzen«. In der Hamburger Clublegende »Golden Pudel« ist Tilp aka Henning Hilton am vorangehenden Montag für das Plattenauflegen verantwortlich, während Anton C. Kunze eine Raumarbeit im Rahmen der Pudelkollektion, einer wöchentlichen Ausstellungsreihe, realisiert. Tilp erzeugt durch dieses konzeptionelle Echo eine Erweiterung des Podiums. Ausgehend von der persönlichen Sphäre individueller Fragestellungen zur künstlerischen Identität, spielt er nun auf dem Großfeld aktueller Diskurse um Darstellung zeitgenössischer Positionen bildender Kunst in einem Umfeld vermeintlicher Eventversessenheit und Entertainmentsucht der jungen Kunstkonsumenten. Wo findet die Kunst statt und was hat diese in der Präsentation »nötig«? Ist es die Botschafts- und tatsächliche Emotionsarmut der Tagebuchmalereien und Individualansätze vieler junger Künstler, die nur durch eine mit Effekten, ‚Goodies’ und Unterhaltungs-‚Add-Ons’ aufgeladene Rezipientenschaar verkraftbar bleibt?

Unter diesen Aspekten betrachtet, schafft Henning Tilp sein Statement, indem er den Diskurs vereinnahmt und zum Rahmen seiner Identifikationsauseinandersetzung macht.

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Über

Henning Tilp ist 1975 in Leipzig geboren – 2008 Diplom Bildende Kunst und derzeit Meisterschüler-
student an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig.
Er lebt und arbeitet in Berlin.